Mit der Umrüstung der bisherigen Ausbildungsbasis Shaw AFB ab 1982 auf F-16 war es erforderlich ein anderes Geschwader für die Schulung auf RF-4 C/E zu finden. In Shaw verblieb bis 1989 lediglich eine Aufklärungsstaffel, die 16th TRS. Naturgemäß fiel die Wahl auf das verbleibende RF-4 C Geschwader der aktiven Air Force, die 67th Tactical Reconnaissance Wing (TRW) in Bergstrom AFB, Texas.
Bergstrom AFB mit den Koordinaten 30°11’N und 97°40‘ W liegt ungefähr 10 Kilometer südöstlich vom Zentrum der texanischen Hauptstadt Austin auf dem gleichen Breitengrad wie Kairo in Ägypten.
Der Flugplatz wurde 1942 als Del Valle Army Air Field gebaut. 1943 wurde er in Bergstrom Army Air Field umbenannt. Namensgeber ist der aus Austin stammende Captain John August Earl Bergstrom, welcher zu Beginn des II Weltkriegs im Pazifik auf den Philippinen fiel. Das Flugplatzgelände umfasst ca. 1300 Hektar mit lediglich einer – dafür aber 12 250 Fuß langen und 300 Fuß breiten – nutzbaren Startbahn 17/35 in Nord-Süd Ausrichtung.
Nach verschiedenen aufeinander folgenden Geschwadern war ab Juli 1966 die 75th Tactical Reconnaissance Wing (TRW) Hauptnutzer der Base. Zeitgleich wurde die 12th Air Force hierher verlegt. Sie bekam ein charakteristisches rundes Hauptquartier, welches allgemein als „The Donut“ bezeichnet wurde. Im Juli 1971 wurde die 75th TRW dann durch die 67th TRW abgelöst.
Zum Zeitpunkt des Beginns der RF-4 C Ausbildung 1982 waren der 67th TRW vier Staffeln RF-4 C unterstellt, davon zwei Einsatzstaffeln, die 12th und 91st TRS und zwei Ausbildungsstaffeln, die 45th und 62nd TRTS. Zusätzlich war in Bergstrom noch die 924th Staffel der Air Force Reserve mit F-4 E stationiert. Zur Unterstützung der Ausbildung und zur Wahrnehmung administrativer/disziplinarer Funktionen stellte die Luftwaffe eine Austauschbesatzung, bestehend aus Fluglehrer (IP) in der 45th TRTS und Lehr-Waffensystemoffizier (IWSO) in der 62nd TRTS. Erster deutscher IP ab April 1982 war Hauptmann Jürgen Erbeck, welcher die erste Hälfte seiner Austauschzeit schon in Shaw geflogen war; erster deutscher IWSO Major Martin Knoll. Die Ausbildung in Bergstrom endete 1989 mit Außerdienststellung der 45th, 62nd und 91st Staffeln. Die letzte deutsche Austauschbesatzung Major Andreas von Büren und Major „Charles“ Schumacher kehrte 1990 nach Deutschland zurück. Die verbleibende 12th TRS kam 1990/91 noch bei Desert Shield / Storm zum Einsatz und wurde danach aufgelöst.
Das Ausbildungsprogramm mit General Aircraft Handling, Instruments, Formation, High Performance/Advanced Handling/Basic Fighter Maneuvers sowie Tiefflug und Luftbetankung bei Tag und Nacht wurde unverändert von Shaw übernommen. Die Umschulung dauerte 6 Monate, in denen ca. 75 Stunden für Piloten und 50 Stunden für KBO/WSO geflogen wurden. Durchschnittlich befanden sich immer 12 – 15 deutsche Offiziere in überlappenden Lehrgängen bei der 67th TRW, wobei neben der Erstausbildung auch Lehrbesatzungen ausgebildet wurden. Allerdings hatte der Ausbildungsstandort Bergstrom wesentliche Nachteile im Vergleich zu Shaw. Die einzige Start/Landebahn schränkte die Möglichkeiten für Mehrfachanflüge erheblich ein und Instrumenten An/Abflüge wurden durch Flugverkehr des nur wenige Kilometer nördlich gelegenen „Robert Mueller“ Zivilflugplatzes von Austin wegen sich kreuzender Flugrouten stark limitiert. Aus diesen Gründen wurden Landeanflüge vor allem auf dem Flugplatz von Waco geübt, was es bei den meisten Lehrinhalten erforderlich machte ein Dreieck mit 200 Km langen Seiten zwischen Bergstrom, Brady MOA und Waco zu fliegen.
Auch die näher gelegenen Tiefflugrouten waren den geografischen Gegebenheiten von Zentraltexas geschuldet recht monoton, so dass für Flüge in bergigem Gelände in Westtexas weite High-Low-High Flüge erforderlich waren, welche den Tieffluganteil auf lediglich 15-20 Minuten beschränkten. Die für Luftkampfübungen genutzte W-228 über dem Golf von Mexico lag fast 200 NM (350 Km) südlich des Platzes, so dass immer in der Konfiguration mit zwei Zusatztanks geflogen werden musste, wobei für den Luftkampf lediglich 20-25 Minuten verblieben. Andererseits waren Lehrer und Schüler wegen der großen Hitze und in Anbetracht der ungenügenden Klimatisierung in der F-4 oftmals dankbar dafür, in kühlere Luftschichten ausweichen zu können.
Aber natürlich hatte der Standort auch Vorteile. Austin mit Anfang der 80er Jahre 350 000 Einwohnern, davon 50 000 Studenten an der University of Texas direkt nördlich des Kapitols, war eine lebens- und liebenswerte Stadt am Rande des Texas Hill Country mit schönen Parks und Seen sowie einer sehr lebendigen Country, Blues und Rock Musikszene, welche sich in der 6th Street konzentrierte.
Schon seit Anfang der 80er Jahre hatte die Stadt Austin versucht, eine zivil/militärische Nutzung für Bergstrom zu erreichen, weil der mitten in der Stadt gelegene Robert-Mueller-Zivilflugplatz mit kurzen Runways sowie erheblichen Lärm- und Flugsicherheitsproblemen für die schnell wachsende Stadt nicht mehr ausreichte. Zunächst lehnte die Air Force dieses Ansinnen aus gutem Grund ab, weil Bergstrom ja schon mit dem eigenen Flugbetrieb überlastet war, aber für die mit dem Ende des Kalten Krieges erfolgenden Platzschließungen war Bergstrom aufgrund der Umstände ein natürlicher Kandidat, und so wurde der Platz am 30. September 1993 offiziell geschlossen und der Stadt übergeben. Nach extensiven Umbauten – lediglich das „Donut“ Gebäude der 12th AF blieb als Hotel bestehen – ist Austin-Bergstrom-International seit 1999 Flugplatz der inzwischen auf fast eine Million Einwohner gewachsenen Hauptstadt von Texas.
Jürgen Erbeck